In diesen Tagen jährt sich die „Bücherverbrennung“ zum 90. mal. Am Abend des 17. Mai 1933 hatte die Kölner Universität einen schier ungeheuerlichen Beitrag dazu geleistet. Mitglieder der Kölner Studentenschaft und des NS-Studentenverbundes verbrannten kulturell wichtige Literatur deutscher und ausländischer Wissenschaftler_innen und Autor_innen. Sie selbst hatten dazu aufgerufen, um gegen einen vermeintlich „undeutschen Geist“ vorzugehen. Bücherverbrennungen gab es im gesamten Deutschen Reich vom März bis Oktober 1933 als eine Aktion von NSDAP, Hitlerjugend, SA, Studentenverbindungen oder Professor_innen.
Anlässlich der Gedenkstunde am 10. Dezember 2005 stellte Prof. Dr. Axel Freimuch fest: „dass durch ihre Organe in den Jahren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zwischen 1933 bis 1945 im Namen der Universität aus politischen und rassistischen Gründen oder Motiven Unrecht begangen worden ist.“ Immerhin dieses Eingeständnis.
Auftaktveranstaltung ohne Redner
Am 17. Mai 2023 kam es nicht zur Gedenkveranstaltung, denn der Redner Udo Di Fabio, ehemaliger und einflussreicher Richter beim Bundesverfassungsgericht und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates der Evangelischen Kirche 2017, kam nicht. Den Großteil der Kölner Studentenschaft dürfte das freuen, denn Di Fabio ist umstritten, wenn er sich zu historischen Fragen äußert.
Schauen wir zurück ins Jahr 2005. Di Fabios Buch „Die Kultur der Freiheit” war wegen seines gesellschaftlichen Leitbilds heftig umstritten. Kritiker sahen darin einen „konservativen Rückschritt in die Anfangszeit der Bundesrepublik Deutschlands“ und die „Etikettierung der deutschen Kultur des 19. Jahrhunderts als eine nicht-atlantische bzw. „nichtwestliche Kultur“. Das klingt fast völkisch.
Am 16. Juli 2005 kritisierte Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung, Di Fabio träume von der alten Zeit: „Die Deutschen hätten im Dritten Reich eigentlich nichts Böses gewollt, sie hätten nur ihr Häuschen haben und als gute Bürger leben wollen“, seien allerdings einer „perfiden Täuschung“ erlegen. Die Täter seien eigentlich die Opfer. Das ist zu viel für einen Juristen, der in diesem Jahr eine Rede zum Thema Bücherverbrennung halten soll.
Arbeitskreis Zivilklausel wirft Di Fabio Verharmlosung des Faschismus vor
Der Arbeitskreis Zivilklausel der Uni Köln am 17. Mai 2023: „Wer wie Di Fabio die verantwortlichen Eliten in Deutschland und das aktive Mitwirken weiter Teile der Bevölkerung an Krieg und Faschismus negiert, um heute erzkonservative Vorstellungen von Nation, Familie und Religion zu verbreiten, verharmlost den deutschen Faschismus und hat bei der Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der Bücherverbrennung nichts verloren.“
Seit 10 Jahren veranstaltet der Arbeitskreis Zivilklausel Lesungen aus der verbrannten, verfemten und verbotenen Literatur Nazideutschlands.
Zur Auftaktveranstaltung ohne Di Fabio fand parallel eine Ausstellung in der Bücherei der Universität und eine Lesestunde von in Nazideutschland verbotener Literatur statt. Vor der Universität wurde an Stolpersteinen zu von den Nazis verfolgten Professoren Blumen hinterlegt. In Köln gibt es gegenwärtig zum Thema zahlreiche Veranstaltungen.
Die bösen Geister sind nicht für immer gebannt
Es soll nicht der Hinweis versäumt werden, dass seit Jahren in der Russischen Föderation zwar keine Bücherverbrennung stattfindet, aber eine Verbannung bisheriger Geschichtsschreibung. Zahlreiche russische Historiker schließen sich dem Geschichtsbild des russischen Präsidenten und Hobbyhistorikers Wladimir Putin und seiner geschichtsfälschenden Rückgriffe auf den Stalinismus und Iwan den Schrecklichen freiwillig an. Schulbücher und Kinderbücher werden umgeschrieben oder dürfen nicht mehr verwendet werden. Dazu kommen „Geschichtsrevisionismus, die Relativierung des Holocaust und Verschwörungstheorien“ als fester Bestandteil der russischen Kriegspropaganda, schreibt das Arolsen-Archiv am 23. Februar. Eine Untersuchung von CEMAS zeige, dass zwischen April und November 2022 die Anzahl der Leute, die glauben, Putin würde gegen eine globale Elite vorgehen, von 32 auf 44 Prozent gestiegen ist.“
Die Parallelen zur Entwicklung des Hitlerfaschismus mit vergleichbarer Hirnwäsche sind unverkennbar. Das Beispiel Russland soll veranschaulichen, wie schnell sich Verschwörungstheorien und Hass verbreiten können. Die Gefahr ist auch bei uns nicht gebannt.
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