Julian Assange: Ein Buch gegen das Vergessen

Josef Tratnik ließt aus dem Buch "Der Fall Julian Assange". Foto: Berthold Bronisz

Köln – Eine interessante Lesung gab es gestern in der Buchhandlung “Der andere Buchladen” im Weyertal Köln-Sülz. Josef Tratnik, Schauspieler und Sprecher, las aus Nils Melzers Buch, “Der Fall Julian Assange”. Rund 50 interessierte Gäste hörten der Lesung interessiert zu. Musikalisch begleitet wurde die Lesung von Andreas Wagner der mit seiner Klarinette die Dramaturgie hervor hob.

Lesen Sie nachfolgend eine Rezension vonHans-Dieter Hey. (BB)

Bescheidene 256.091 Menschen hatten sich bei Campact registriert, um den Kampf gegen die Auslieferung des Whistleblowers Julian Assange an die USA zu unterstützen. Zur Erinnerung: Assange hatte den USA unter anderem Kriegsverbrechen in Irak und Afghanistan mit brisanten Veröffentlichungen vorgeworfen. Eine Zusammenfassung der Ereignisse bei Campact hier! Auf 332 Seiten hat nun der Autor Nils Melzer umfangreiches Belastungs- und Recherchematerial in einem Buch gegen das Vergessen zur Verfügung gestellt: “Der Fall Julian Assange: Geschichte einer Verfolgung”.

…die für die Wahrheit kämpfen

Er widmet sein Buch „allen, die für die Wahrheit kämpfen“ und weist auf den deutschen Rechtshistoriker Otto Gritschneder hin: “Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur wieder auf”. Am Ende seines Buches schreibt er: „Es geht um das Versagen von rechtsstaatlich-demokratischen Institutionen, deren Funktionstüchtigkeit und Vertrauenswürdigkeit vom Durchschnittsbürger in der Regel nie infrage gestellt werden.“ Es ist von ihm eine Warnung, wachsam zu sein, wenn wir auf einige Entwicklungen in Europa schauen.

Melzer ist nicht irgendwer, sondern ein Schweizer Rechtswissenschaftler, Diplomat, Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zu Folter, Direktor für Völkerrecht, Politik und humanitäre Diplomatie beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz. Er weist akribisch die Verweigerung fundamentaler Rechte gegenüber Assange nach und findet bei seiner Recherche Justizskandale, Folter und politische Verfolgung in Schweden, Großbritannien, Ecuador und den USA vor.

Gefälschte Beweise und falsche Tatvorwürfe

Um damals von den mutmaßlichen amerikanischer Kriegsverbrechen abzulenken, erfand man in Schweden Vergewaltigungsvorwürfe. Heute, so Melzer, „weiß man, dass die Tatvorwürfe nie für eine Anklage ausreichten“. Auch wurden Beweise gefälscht. Der ganze Aufwand diente dazu, Assange zu diskreditieren und zu kriminalisieren. Das gelang ziemlich erfolgreich. Selbst Amnesty International zögerte lange, Assange als politischen Gefangenen zu sehen. Die Haftbedingungen für Julian Assange hatten schließlich schwerwiegende körperliche und psychische Folgen. Der Wikileaks-Chefredakteur und Enthüllungsjournalist Kristinn Hrafnsson warf London vor, psychische Folter, Freiheitsberaubung und die Verweigerung eins fairen Verfahrens in Kauf zu nehmen. Dann, im Februar 2020, hatten 120 Ärzte und Psychologen ein Ende “der psychologischen Folter und medizinischen Vernachlässigung” des Wikileaks-Gründers gefordert. Wie für viele war es für Melzer einiges an Weg bis im klar wurde, „wie sehr meine Wahrnehmung von Vorurteilen verzerrt gewesen war“, und zwar von der tendenziösen Berichterstattung.

Pressefreiheit ohne Stellenwert

Das Auslieferungsverfahren wurde 2020 durch die leitende Amtsrichterin Emma Arbuthnot eingeleitet, deren Mann Lord James Arbuthnot eng mit dem „Falke-Tory“ im militärisch-industriellen Komplex sowie den Geheimdiensten verstrickt war, beschreibt Melzer die Zusammenhänge. Am 6. Juni 2023 nun entschied der britische High Court unter Richter Sir Jonathan Swift letztinstanzlich, dass Assange an die USA ausgeliefert werden könne. Dort erwarten ihn 175 Jahre Haft. Offenbar sind britische Gerichte für Fragen der Meinungs- und Pressefreiheit nicht empfänglich und zu abhängig von der rechtskonservativen Londoner Regierung. Weltweit wird der „Fall Assange“ als schwerwiegendes Komplott gegen die Pressefreiheit gewertet. Am 17. Juni 2022 kommentierte der Londoner ARD-Journalist Christoph Prössel: „Für diese Regierung, die die BBC regelmäßig angreift und die es mit der Wahrheit nicht ernst nimmt, hat Pressefreiheit keinen Stellenwert.“

Im April 2023 hatten australische Bundespolitiker Washington jetzt vor einem “gefährlichen Präzedenzfall” gewarnt: “Wir sind besorgt um seine Sicherheit und um sein Wohlergehen im Gefängnis, wo seine körperliche und mentale Gesundheit sehr hohem Risiko ausgesetzt bleiben.” Über 80 Abgeordnete des Deutschen Bundestages hatten sich im Juli 2023 in einem offenem Brief gegen die Auslieferung des Wikileaks-Gründers an die USA gewandt. Die letzte Chance für Julian Assange liegt nun im Einlenken des US-Präsidenten Joe Biden und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. (Berthold Bronisz, Hans-Dieter Hey)

Ausschnitt einer Lesung vom Schauspieler und Sprecher Josef Tratnik. Andreas Wagner trug mit der Klarinette zur musikalischen Unterstützung bei.

Amnesty International hat einen Briefentwurf an das Amerikanische Justizministerium mit der Bitte zur Verfügung gestellt, die Klage gegen Assange fallen zu lassen.

Sie wurde Veranstaltet durch: “Free Assange Köln”, der DFG-VK, Amnesty International und “Der andere Buchladen”.

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Herausgeber: Piper Taschenbuch; 1. Edition (1. Juni 2023)
Taschenbuch: 336 Seiten, Paperback
ISBN-10: 3492319440
ISBN-13: 978-3492319447
Preis: 14,00 Euro

Bilder von der Lesung im “Der andere Buchladen”. Fotos Berthold Bronisz

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